Vanlife Blues

Dass das Vanlife sich auf Reisen von dem stationären Vanlife unterscheidet, haben wir ja erwartet. Aber was es außerdem ausmacht keine Arbeit zu haben, oder wie es ist, sich plötzlich rund um die Uhr zu sehen, das weiß man vorher nicht.
Leider kann ich nicht behaupten, dass es irgendwie so ist wie wir es uns vorgestellt haben. Wir waren zwar vorher schon mit Plötze unterwegs und haben unsere Freizeit irgendwie hübsch gestaltet. Aber wir wussten nicht, wie es tatsächlich sein würde, unterwegs zu sein, ohne Ziel und ohne Verpflichtung. Tun wonach einem ist.

Wenn ich das so schreibe klingt es schön. Nach Freiheit. Aber wie soll man wissen, wie man damit umgehen soll, wenn man nie zuvor in so einer Situation war? Vor zwei Tagen mündete die Lethargie die wir uns irgendwie angeeignet hatten, in einem Ausbruch von Verzweiflung.

Wir zeigen uns gegenseitig den Mittelfinger

Wie es dazu kam

Im Vornherein hatte ich mir z.B. vorgestellt, wir würden an einem idyllischen Ort stehen, die Hängematte zwischen die Bäume spannen und einen angenehmen Nachmittag lang die Seelen baumeln lassen. Oder wir würden unterwegs sein und musizieren. Oder Picknicken auf einer Blumenwiese.

So kann das Vanlife auch sein

Doch schon von Anfang an gewöhnten wir es uns ab, zu viel Zeit im Grünen zu verbringen, weil wir dann umgehend von Mücken aufgefressen wurden. Manchmal, wenn wir mitten im Nirgendwo ein Plätzchen für uns ausfindig gemacht hatten, und ich voller Überschwung ausstieg um die Umgebung zu erkunden, rief mir Larry entsetzt zu, ich solle die Türe wieder schließen. Und wenn ich dann verwundert umherblickte, sah ich plötzlich die 1000 Blutsauger/m³, die aus dem Moos aufstiegen. Und selbst wenn alles geschlossen war, ließ Plötze irgendwo ein paar von ihnen hinein sirren, so dass wir keinen Schlaf fanden. Wer hätte gedacht, dass Plötze eine so hinterhältige Sau ist… Wir rüsteten dann mit aufwändigen Bastelarbeiten Mückennetze nach, und kauften uns ein Mückensteckdosending.

Lexi beklebt das Fenster mit Mückennetz

Mückenspays und Sonnenmilch vermeiden wir übrigens allgemein, weil wir nie wissen, wann wir uns wieder waschen können. Da wir trotzdem manchmal draußen rumlaufen möchten, haben wir jetzt ständig irgendwo Mückenstiche, an die wir uns fast schon gewöhnen. Aber wenn es auch noch regnet, vergeht jeder Funke Lust, raus zu gehen.

Plötzes Sauberkeit

Irgendwann stellten wir außerdem fest, dass Skandinavien nicht gerade mit Waschsalons protzt. Vor allem nicht im Norden. Wir erfuhren von anderen Campern, dass sie ihre Wäsche die ganze Reise lang nicht waschen müssen, aber das ist bei uns anders. Obwohl Plötze sehr klein ist, ist er nicht kruschtig. Und das liegt daran, dass wir unser Habe auf das Nötigste beschränken. Also beschlossen wir, unsere Wäsche an einem See zu waschen. Dafür haben wir auch einen Kanister biologisch abbaubares Waschmittel mitgebracht. Doch dann hat es gepisst. Wir standen zwei Tage an dem See, und warteten. Doch es pisste und war kalt. Ach ja und übrigens, die Mücken stören sich hier nicht am Regen.

Da wir leider nach wie vor keine Spülmaschine haben, sind wir außerdem gefühlt ständig am Abwaschen. Wir kochen ein, zwei mal am Tag und machen uns den ein oder anderen Snack. Das Geschirr, von dem wir auch nur das Nötigste haben, muss erst komplett gespült werden, bevor wir wieder etwas zubereiten können. Und dann ist der 10L Grauwassertank STÄNDIG voll!

Ausserdem solltet ihr mal Plötzes Fußboden sehen wenn es drausen regnet. Oder das Bett wenn es irgendwo sandig ist. Und an dem kleinen finnischen See, wo wir unsere Wäsche waschen wollten, gab es beides!

Körperhygiene

Klar haben wir hier und da ein wildes Gewässer nutzen können, um uns zu waschen. Dafür haben wir natürlich auch biologisch abbaubare Seifen dabei. Die macht das Haar zwar nicht geschmeidig, aber sauber. Nach dem Nordkapp war die Körperhygiene auch schon mehr als überfällig. Also stiegen wir in das erst beste Gewässer mit mehr als 10°C und taten das Nötigste. Mit zusammen gebissenen Zähnen ging das irgendwie, obwohl wir einen Hirnfrost hatten. Aber die anschließende Nesselsucht auf meinen Schenkeln lässt mich hoffen, dass die nächsten Gewässer wärmer sind.

Nachdem wir von Eisschwimmern gelesen hatten, schien uns das Wasser warm genug zu sein
Wir litten beim Waschen

Unsere Beziehung

Wie erwähnt sind wir es nicht gewohnt so viel Zeit miteinander zu verbringen. Die üblichen Gesprächsthemen gaben schnell nichts mehr her und unsere gemeinsamen Hobbys lassen sich schlecht unterwegs im Van ausleben. Also lebten wir zunehmend nebeneinander her und eine gewisse Distanz entstand.

Lethargie

Die Sonne um diese Jahreszeit scheint in Nordskandinavien ununterbrochen, und wir merkten oft nicht, wie die Zeit verging, während wir uns medial unterhalten ließen. Larry mit seinem E-Book, gerade bei Robin Hobb, und ich mit Star Trek Voyager auf dem Tablet. So verbrachten wir Stunden, schliefen irgendwann nach Mitternacht ein und wachten oft einen halben Tag später erst wieder auf. Ich wundere mich schon, wie es möglich ist, so viel zu schlafen. Wieso ist das so? Und als wir zwei Tage an dem finnischen See standen und auf Wäsche-wasch-Wetter warteten, mündete das schließlich in einem Ausbruch von Verzweiflung.

Die Konsequenz

Wir gestanden uns ein, dass wir nicht so leben können. Zu viel Freiheit überfordert uns. Wir beschlossen, die verregneten Lofoten sausen zu lassen, und statt dessen eine schwedische Hafenstadt aufzusuchen, in der wir uns selbst und die Wäsche waschen könnten. Außerdem etablieren wir jetzt eine Morgenroutine, der Wecker klingelt um acht und wir starten in den Tag. Wir müssen uns beschäftigt halten, unsere grauen Zellen stimulieren und uns zum Wachstum animieren. Ob und wie uns das gelingt, auch ohne einen Arbeitgeber der uns in den Hintern tritt und die Verpflichtungen die man als festes Mitglied einer Gesellschaft hat, muss sich noch zeigen. Aber wir sind voller Motivation, denn wir wissen jetzt wie es ist, sich gehen zu lassen und wollen das auf keinen Fall wieder erleben.

Sauber, regenfrei und voller Motivation 🙂

12 Gedanken zu “Vanlife Blues”

  1. Das kann ich sehr gut nachvollziehen, aber auch diese Erfahrungen sind doch enorm wichtig und auch realistisch, auch finde ich es mutig, so zu schreiben! Wer in Friede Freude Eierkuchen Manier vor sich hinlebt und es anderen glauben machen will, belügt sich selber und dann kommt das große Erwachen! Das ist doch gerade das angestrebte“ Wachstum“ im Leben ,sich auch den unangenehmen Dingen zu stellen, sie Einordnen zu können und zu lernen, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen!
    Herzlichen Glückwunsch!

    1. Das hast du sehr gut erklärt Tanja.
      Ja es ist so, dass man mit zunehmenden Jahren Experte in allen möglichen wird, unter anderem eben auch in Katastrophen und ‚bad feelings‘. Hast recht die gehören auch dazu.
      Wer will schon eine ewig lange Wohlfühlphase?
      Wie schrecklich wenn alles gelingt und man nie das tolle Gefühl erlebt wie es ist so richtig auf die Schnauze zu landen.
      Wieso immer nur Flachland wenn es Berge und Täler gibt, Hoch und Tiefs.

    2. Danke, gut gesagt Tanja!
      Tatsächlich habe ich hin und her überlegt wie ich es beschreiben könnte, ohne zu zeigen was für Lappen wir sind. Aber dann dachte ich, ach egal, passiert doch jedem mal ;D

  2. Hey Larry, cooler Blog! Kauft euch vieleicht ein paar Poi, Keulen und Hula Hoops. Kollegen fragen immer neugierig wie es euch geht, leider schafft es die Seite nicht durch den Spam Filter auf Arbeit 😂

    1. Das wird wohl die „newly observed domain“ sein, oder?^^ Der blödeste Spamfilter, den ich kenne -.-
      Schön, dass du zu Hause mal drauf geschaut hast und dich hier meldest. Dann weiß wenigstens ein Kollege Bescheid. Du kannst die anderen ja mal dazu ermuntern, es dir gleich zu tun. Gerade der Michi sollte sich die Seite anschauen, der hat schließlich den Anstoß gegeben 🙂
      Schreib mir mal, wie es bei euch so läuft, ob es schon einen Nachfolger für mich gibt, und und und…
      Alexa versucht gerade, mir das Zeichnen beizubringen. Ob meine mentale Kapazität noch für deine Akrobaten-Utensilien reicht, wage ich kaum zu hoffen. Aber bei Gelegenheit versuchen wir es mal.

      1. Hi Larry und Lexi,
        jetzt nehme ich mir auch mal die Zeit einen Kommentar in eurem Blog zu hinterlassen. 😉
        Ich habe bereits schon ein paar mal reingeschaut und wollte auch was schreiben es aber bisher noch nicht geschafft. Aber deine Antwort Jonas Eintrag veranlasst mich natürlich jetzt dann doch endlich mal meine Spuren hier zu hinterlassen.
        Der Blog ist euch bisher ganz super gelungen und es macht Spaß euch auf diese Weise zu folgen. Da habt ihr inzwischen ha schon einiges erlebt und auch verschlafen so wie Lexi die skandinavischen Nächte beschreibt.
        Ich hoffe ihr habt eine super Zeit und könnt viele unvergessliche Momente gemeinsam genießen.
        Wir werden weiterhin regelmäßig auf diesem Blog verfolgen wie es euch so geht und wo ihr euch rumtreibt.
        Was mich angeht, ich werde zukünftig versuchen hier öfters auch eine Nachricht für euch zu hinterlassen.
        Liebe Grüße von uns fünf

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